So. 16.01.1966 - 11:00 Uhr ESV Jahn Kassel - VfL Bad Nauheim 3:14 (0:5/1:4/2:5)

Kassels Eishockeymannschaft ließ ihr Blau leuchten!
Wenn Sie mich fragen: das erste offizielle Eishockeyspiel in der Kasseler Sportgeschichte war eine „runde" Sache! Und überall wo wir hinhörten, herrschte Zufriedenheit über diesen gelungenen Start auf der Eisbahn im Aschrottpark: Die Eislaufabteilung des ESV Jahn freute sich über den guten Besuch (etwa 500 Zuschauer!), die Kasseler Spieler begrüßten dankbar die Gelegenheit, endlich einmal Gastgeber und nicht immer nur Trainingsgast im Nauheimer Stadion (zu mitternächtlicher Stunde) zu sein. Die „roten Teufel" aus Südhessen schließlich waren mit dem 14:3 (5:0, 4:1, 5:2)-Sieg zufrieden, den sie sozusagen im Schongang herausschossen. Das schönste aber war, dass dieses Ergebnis beiderseits (und auch außerhalb der Holzbande) nicht tierisch ernst genommen wurde.

Baldur Dichtel macht das erste Tor in der Kasseler Vereinsgeschichte!

Premieren-Fieber gibt es auch im Eishockey. Es ergriff die Verantwortlichen und Spieler im Kasseler Lager schon am Tag vor dem Spiel. Da wurden mit einem Pinsel aus dem Handgelenk heraus, die roten und blauen Linien gezogen und die eisernen Tore aufgestellt, die auf Anregung eines bekannten Kasseler Fußballspielers in „Heimarbeit" von Insassen der Wehlheider Strafanstalt angefertigt worden waren. Die Stadt Kassel - Sportamtleiter Georg Lecke durfte ebenso wie ESV-Jahn-Hauptsportwart Erich Landau Worte des Dankes entgegennehmen - gab u. a. reichlichen Wassersegen dazu. Das übrige tat Väterchen Frost.

Umkleiden ist bei Eishockeyspielern eine Sache für sich. Die Tennis-Klubräume im Aschrottpark wären aus den Nähten geplatzt. So nahm man den Weg von der Heinrich-Schütz-Schule her in Kauf. Und als die Kasseler Akteure dann ihr Blau leuchten ließen - die Wahl der Stadtfarben war beileibe kein Zufall! - da steckten in den 300-Mark-Garnituren (aus der eigenen Tasche bezahlt) einige bekannte Gestalten: KSV-Amateurtrainer Willi Kurrat, die „Fußballer" Hello Spohr, Brosche, Zahnarzt Günter Heine (der beruflich ebenso wenig in Erscheinung zu treten brauchte wie der rührige Sportarzt Dr. Drechsler). Und Streckensprecher Jochen Luck hatte das Mikrofon mit dem schweren Schläger vertauscht! — sozusagen ein „New Luck". Am traurigsten war mit Werner Hassenpflug ein weiterer aktiver Fußballspieler, der angesichts bevorstehender Balltreter-Aufgaben nur als Schneeschipper auftreten durfte.

Eine Spielszene vom 1. Spiel im Aschrottpark. Quelle: Spohr

Die Nauheimer kamen mit der Miene von alten Hasen. „Ein Acker", meinte jener, der die Nummer 4 trug, als er Kassels Wintersportparadies erstmals sah. Später war man gnädiger: „Das Eis ist ganz gut, besser jedenfalls als in Lauterbach", lobten die Mannen aus dem Kunsteisstadion - und die Kasseler Jugend staunte (so etwas wie in Bad Nauheim müsste man auch hier haben!).

"Nur keine Angst, die kochen auch nur mit Wasser". munterte Abteilungsleiter Klement seine Kasseler „Schäfchen" auf. Aber auch er, der mit der Nummer 2 bald auch dem Laien als bester und agilster Kasseler Spieler bekannt wurde, konnte nicht verhindern, dass man sie auf die Schlachtbank führte. Trotz der großartigen Paraden von Torhüter Wagner!

KEIN WUNDER: diese Kasseler Mannschaft, deren Durchschnittsalter von 28 Jahren dem neuen Bundestrainer Ed Reigle das Wasser in die Augen treiben würde, besteht ja aus Idealisten, die nur Wegbereiter für den hoffentlich nachdrängenden Nachwuchs sein wollen!

Nur EINE Hinausstellung (Brosche) gab es in diesem Spiel, das die Kasseler auch dann fair gestalteten. Wenn Könner wie Manfred Müller (Nr. 16) und Büchers mühelos durch die Galerie Kasseler Stücke spazierten. Es gab auch ausnahmsweise nur einen Schiedsrichter: Vorstandsmitglied und Ex-Jugendwart Jehner aus Bad Nauheim. „Sie haben's mir leicht gemacht", meinte er. „Mit der Abseitsregel stehen sie zwar noch auf dem Kriegsfuß, aber ich habe oft beide Augen zugedrückt!" War das ein Jubel, als das erste Kasseler-Tor fiel! Baldur Dichtel, in seiner Jugend einst beim SC Riessersee, erzielte es nach Klement-Vorarbeit. Und später, als die meisten der ursprünglich 500 Besucher schon an den heimischen Fleischtöpfen saßen, waren Dichtel und Brosche noch zweimal erfolgreich. Dass es trotz des 3:14 ein erfolgreiches Debüt wurde, dafür sorgten nicht nur die Kasseler Spieler (Wagner, Klement, Ullrich, Brosche, Hartwig. Kurrat, Augustin, Luck, Dichtel, Zores, Menzel, Heine, Albrecht, Spohr), sondern auch die erst neunjährige Birgit Keil aus Bad Nauheim, die bei neun Grad Kälte in den Drittelpausen ihr Können zeigte. Wäre es nicht schön, wenn solch zarte Eisblumen - anmutig und möglichst zahlreich — recht bald vor unseren eigenen Fenstern wachsen würden...?

Quelle: HNA vom 17.01.66


ESV Jahn Kassel - VfL Bad Nauheim 3:14 (0:5/1:4/2:5)

Tore für Kassel: Dichtel (2), Brosche

Zuschauer: ca. 500

Schiedsrichter: Jehner (Bad Nauheim)