Fr. 02.02.1990 - 20:00 Uhr EC Kassel - Torpedo Jaroslawl 5:12 (1:3/0:3/4:6)
Eishockey der Extraklasse
2000 Zuschauer in
der Kasseler Eissporthalle waren gestern
abend rundum begeistert. Mit
einem Feuerwerk an Ideen, technischen
Kabinettstückchen und traumhaften
Kombinationen unterstrichen
die sowjetischen „Eissputniks" von
Torpedo Jaroslawl im Freundschaftsvergleich
mit dem Oberligisten
EC Kassel ihre Extraklasse.
Dem 12:5 (3: l/3:0/6:4)-Endergebnis
kam nur sekundäre Bedeutung zu,
denn trotz zeitweiliger Eishockey-
Demonstration gestatteten die Gäste
ihrem Gegner viele Freiheiten, die
der ECK zu fünf Torerfolgen nutzte.
Zwar überstand die Mannschaft
von ECK-Trainer Peter Roedger die
ersten neun Minuten unbeschadet,
doch dann mußte Torhüter Bernd
Wiegmann, der für den verletzten
Kontny zwischen den Pfosten stand,
das erste Mal hinter sich greifen. Der
ECK-Keeper machte im übrigen seine
Sache aber so gut, daß auf einen
Wechsel gegen einen sowjetischen
Keeper eingangs des zweiten Drittels
verzichtet wurde.
Ausgleich durch Tarves
In der überaus fairen Partie zeigte
die „russischen Bären" nur phasenweise
ihre Krallen, ließen ihren Gegner
mitspielen, um die Szenerie dennoch
eindeutig zu beherrschen. Riesenjubel
unter den Fans als Tarves
nach einer Viertelstunde sogar der
Ausgleich gelang, doch dann machte
die Torpedo-Supertruppe kurzfristig
wieder ernst.
Immer wenn die sowjetischen
Stars im Puckbesitz waren, blieb dem
Oberligisten nun nichts anderes
übrig, als das eigene Gehäuse mit Mann und Maus zu verteidigen.
Im Schlußdrittel gewährten die Sowjets
ihrem Gegner noch mehr Freiräume,
die der ECK mit mehr Entschlossenheit
zu noch mehr Toren
hätte nutzen können. Doch auch die
hervorragenden Solisten auf der Gegenseite
stellten einmal mehr ihre
Extraklasse unter Beweis und langten
noch sechsmal hin.
Während sich neben dem zweifachen
Torchützen Tarves noch Lammel,
Schnobrich und Brand in die
ECK-Torschützenliste eintrugen,
waren auf der Gegenseite Gorbatschov
(2), Maslejnikov (2), Sateravin
(2), Garschkov (2), Lvov, Vasiljew,
Sibin und Schumski am Trefferreigen
beteiligt.
Quelle: HNA
Torpedos Asse auf Triumphzug
Die Gratwanderung
geriet zum Triumphzug: 2000
begeisterte Eishockey-Fans feierten
am späten Freitag die
Puckjäger des EC Kassel und
von Torpedo Jaroslawl bei ihrer
gemeinsamen Ehrenrunde.
Denn trotz ihres souveränen
12:5.(3:1, 3:0, 6:4)- Erfolges hatten
es die Russen verstanden,
ihre technische und läuferische
Weltklasse zu demonstrieren,
die wacker kämpfenden Blau-
Weißen dabei aber ebensowenig
der Lächerlichkeit preiszugeben
wie sich selbst.
So wurden die Gastgeber in
keiner Phase zu Statisten degradiert,
hatte jeder Kasseler Crack
„sein" Erfolgserlebnis. Allen
voran die Torschützen Tarves
(2), Lammel, Schnobrich und
Brand, aber auch der sich beherzt
dem russischen Sturmlauf
entgegenwerfende Torsteher
Wiegmann. Dessen „Vorarbeiter"
Kontny hatte schon vor dem
Anpfiff der Referees Lemmen
(Krefeld), Töllner (Clausthal-
Zellerfeld) und Heuser (Kassel)
gepaßt. „Es juckt schon in den
Fingern, selbst zu spielen", sagte
Seppi, „aber ich muß wegen einer
Oberschenkelzerrung noch
kürzertreten. Am Freitag im ersten
Aufstiegsrundenspiel muß
ich fit sein, das ist wichtiger".
Immerhin fand der Bayer so
Ruhe und Muße, die Eishockey-
Gala der „Sputniks" zu genießen.
Die brillanten Soli des Igor
Maslejnnikow, die Fangkünste
der Torsteher Gerasimow und
Kostjuchin, die atemberaubende
Schnelligkeit der Außenstürmer,
aber auch das beeindruckende
Zusammenspiel des gesamten
Kollektivs. „Es war eine
echte Sport-Schau für die Zuschauer",
brachte Artur Berwald
seine Bilanz auf den Punkt,
„ein Freundschaftsspiel im
wahrsten Sinne".
Genauso hatte es Sergej Nikolajew
von seinen Mannen erwartet,
als er im Laufe der Woche
trotz des Klassenunterschieds
„ein interessantes Spiel"
versprach. „Ich bin sehr zufrieden",
strahlte der Torpedo-Trainer.
„Wir haben die begonnene
Freundschaft auch im Spiel bewiesen
und die Verständigung
noch verbessert". Keinen Zweifel
ließ er daran, daß das Resultat
für ihn keine Rolle spiele.
„Die Mannschaft von Peter
Roedger hat prima gekämpft,
das ist belohnt worden".
Nicht nur für Nikolajew war
offensichtlich, daß zwischen den
Cracks aus Ost, West und Übersee
längst alle Barrieren gefallen
waren, mit Hilfe der brillanten
Dolmetscher Zander, Baum und
Jacob auch sprachliche Hemmnisse
überwunden und der Begriff
der Völkerverständigung
binnen weniger Tage mit echter
Freundschaft ausgefüllt wurden.
So schnell die Torpedos
über das Eis flitzten - ohne ihrem
Unheil verheißenden Klubnamen
vollends zu entsprechen
-, so schnell taute das ohnehin
dünne Eis zwischen beiden Delegationen.
„Jetzt gilt es, die ersten Kontakte
zu vertiefen, die Freundschaft
zwischen Kassel und Jaroslawl
auf eine dauerhafte Basis
zu stellen", meinte mit Blick
nach vorn Klaus Bechmann, der
im verkürzten Tennis-Duell der
Delegationsleiter gegen Igor
Alekseew mit 6:0, 5:5 den einzig
zählbaren sportlichen Kasseler
Erfolg verbuchte.
Doch wertvoller als kurzfristige
Erfolgserlebnisse wird
auch im Kasseler Lager der Beginn
einer neuen Zusammenarbeit
bewertet. So ist als nächster
Schritt ein Trainingslager der
Blau-Weißen in Jaroslawl vorgesehen,
in dessen Rahmen Anfang
August ein Turnier mit
Mannschaften aus Jyväskylä
(Finnland) und Poitiers (Frankreich)
sowie einer amerikanischen
Studententrupppe ausgerichtet
wird. „Außerdem haben
wir eine gemeinsame Trainer-
Fortbildung besprochen sowie
mit einem gewissen Vorkaufsrecht
die Möglichkeit geschaffen,
daß in absehbarer Zeit erstklassige
Torpedo-Spieler die
Ausländerplätze im Team des
EC Kassel besetzen werden",
berichtete Bechmann. Dies wird
voraussichtlich aber noch einige
Zeit dauern, denn ein UdSSR-Gesetz
erlaubt den Wechsel ins
westliche Ausland erst im Alter
von 28 Jahren. Und Michail Vasiljew
zum Beispiel ist gerade
erst 27...
Doch bevor es zum Wiedersehen
kommt, stehen beiden
Teams schwere Aufgaben bevor.
Während die Kasseler am
Freitag gegen Hannover antreten,
erwartet Torpedo Jaroslawl
schon am Dienstag das Heimspiel
gegen Chimik Woskresensk
- den Spitzenreiter. Da
wird es mit Sicherheit weniger
freundschaftlich zugehen als
beim Kasseler „Spaziergang".
Quelle: HNA