So. 02.10.1994 - 14:40 Uhr Kassel Huskies - Düsseldorfer EG 5:6 (2:2/1:1/2:3)

Der Blick zur Uhr ließ den Kasseler Cracks die Kräfte schwinden, nach 19:48 Minuten des letzten Drittels machte sich Fassungslosigkeit VON GERALD SCHAUMBURG auch auf den erstmals ausverkauften Rängen der Eissporthalle breit. Wo eben noch beim Stand von 5:5 überschäumende Begeisterung die Hoffnung auf den Gewinn zumindest eines Punktes gegen die Düsseldorfer EG nährte, wurde urplötzlich so manches der 4650 Augenpaare feucht vor Enttäuschung. Die Fans litten mit ihren Huskies, denen DEG-Kapitän Rick Amann ganze zwölf Sekunden vor Schluß mit einem mächtigen Kracher in die Maschen den sportlichen Fangschuß gegeben hatte. Mit 5:6 (2:2, 1:1, 2:3) hatte der ECK die zweite Sensation in der Deutschen Eishockey-Liga nur knapp verpaßt, stand trotz schier unglaublichen Kampfgeistes und bemerkenswerter spielerischer Klasseleistung am Ende doch ohne Beute da. „Sechs Tore habe ich kassiert, drei Pucks habe ich erst gesehen, als sie im Netz zappelten", stöhnte Torwart Sepp Kontny über seinen unfreiwilligen „Blindflug" auch im entscheidenden Moment. Denn als Amann mit dem Mute der Verzweiflung an der Blauen Linie abzog, warf sich Sascha Engel vergebens in die Flugbahn des Pucks, direkt vor Kontny rangen Mokros und Lavallee. „Wir haben sehr glücklich gewonnen", gestand DEG-Trainer Hans Zach ein, nachdem Amanns Gewaltschuß vorbei an Freund und Feind den sechsten Düsseldorfer Sieg in Folge gesichert hatte. Amanns Treffer setzte den Schlußpunkt hinter ein dramatisches Duell, in dem die Kasseler Außenseiter dem hohen Favoriten freiwillig keinen Millimeter des Eises überließen. Mit kämpferischen Tugenden kauften sie den technisch wie spielerisch nur zu Beginn überlegenen Gästen den Schneid ab. Bissig in der Defensive, mit nimmermüdem Elan in der Offensive rissen die Blau-Weißen ihre Anhänger von den Sitzen - und brachten die Westdeutschen weitaus öfter in Verlegenheit, als dies vorher zu erwarten war. „Wir haben auch nach dem O:2-Rückstand nicht aufgesteckt, haben immer an unsere Chance geglaubt", verteilte Ross Yates Komplimente an die Schlittenhund-Meute. Gleichwohl grübelte der ECKCoach: „Vielleicht haben wir in dieser Situation zuviel gewollt, waren einfach zu offensiv. Statt das eigene 6:5 anzupeilen, hätten wir auf Halten, auf Unentschieden spielen sollen." Doch der Coach kann es seinem Rudel nicht verübeln, daß es im Schlußspurt die ganze Beute wollte. Denn die Huskies - den Düsseldorfern über weite Strecken ebenbürtig (!) - hatten durch Wikulow, Millar und Hannon nur Sekunden zuvor selbst den Siegtreffer auf den Schlägern. Doch „Glücksgöttin Fortuna hatte heute für Kassel nichts übrig", wie es ECK-Vize Gerhard Swoboda formulierte. Gewiß, das 0:1 durch Truntschka (5:38 Minuten) im Powerplay und auch das 0:2 durch Niederberger (12:32) nach der schönsten Kombination des Tages entsprangen bester Eishockey-Schule. Doch nachdem Johnston (18:01) sowie Ozellis (18:50) binnen 49 Sekunden mit feinen Einzelaktionen den Ausgleich erzwungen hatten, stand Fortuna bei Truntschkas 2:3 (24:37) auf Düsseldorfer Seite, als Kontnys Schoner nicht breit genug waren. Immerhin ließ sie ausgleichende Gerechtigkeit zu, als wenig später Millars „Mörser" zum 3:3 (27:03) haltbar erschien und als nach 27:55 Minuten die Scheibe auf der Kasseler Torlinie tanzte und Referee Schnieder erst nach dem Studium der Fernseh-Aufnahmen „kein Treffer" entschied. Beim 4:3 (41:13) nutzte Schlitzohr Grossmann - neben Naster, Millar und dem überragenden Engel bester Kasseler - einen Blackout der gesamten DEG-Hintermannschaft, auf der Gegenseite hatte Lavallee freie Bahn zum 4:4 (47:18). Als Lavallee einen Kreutzer-Querschläger zum 4:5 (51:10) abfälschte, ließ Fortuna den guten „Seppi" ebenso allein im Kasten stehen wie die DEG-Verteidiger ihren Schlumann de Raaf bei Kasperczyks postwendendem Ausgleich (52:25) unmittelbar nach einem Bully. Offenbar hatte die Glücksgöttin in diesem Moment schon ihr Herz an die Düsseldorfer verloren ...

SR: Schieder (Iserlohn-Sümmern).
Z: 4650 (ausverkauft).

0:1 (5:38) Truntschka (Rioux, Amann - 4:5),
0:2 (12:32) Niederberger (Funk, Köpf),
1:2 (18:01) Johnston (Kasperczyk, Mokros),
2:2 (18:59) Ozellis (Ahne),
2:3 (24:37) Truntschka (Niederberger, Funk - 4:4),
3:3 (27:03) Millar (Kwasigroch, Hannon),
4:3 (41:13) Grossmann (Mokros),
4:4 (47:18) Lavallee (Köpf, Rioux),
4:5 (51:10) Lavallee (Kreutzer),
5:5 (52:25) Kasperczyk,
5:6 (59:48) Amann (Niederberger).
Strafminuten: Kassel 10 - Düsseldorf 12.
Quelle: HNA